Klassik, Genres
Konzertexamen von Jieru Ma
Freitag, 19.12.2025 / 19:00 Uhr / Hochschule für Musik Freiburg, Kammermusiksaal
Schlagzeugklasse Prof. Håkon Stene
Mitwirkende
Jieru Ma → Schlagzeug
Programm
Wen Deqing → Kung Fu
Georges Aperghis → Le corps à corps
Florian Magnus Maier → Soleá
Steven Snowden → Long Distance
Alberto Bernal → Impossible Translation #3
不可翻译的 Unübersetzbar
Dieses Konzert beinhaltet Werke aus unterschiedlichen kulturellen und ästhetischen Kontexten, die über Grenzen von Sprache, Bewegung, Technik und Klang hinausgehen. Sie entstehen im Akt der »Übersetzung« – und verlieren sich dabei auch in Missverständnissen. Was bleibt, wenn wir zwischen Kultur, Körper, Sprache und Rhythmus übersetzen – und ist es möglich, dass manche Erfahrungen einfach nicht übersetzbar sind?
Wen Deqings »Kung Fu« und Georges Aperghis’ »Le corps à corps« entspringen der chinesischen Philosophie beziehungsweise einem französischen Textkontext. Beide arbeiten mit fragmentierter Sprache, Stimmrhythmik und Körperbewegung:
»Kung Fu« versucht, die Dynamik und den Zyklus von Yin und Yang in Musik nachzuvollziehen, während »Le corps à corps« etwas Alptraumhaftes präsentiert – eine visuelle und emotionale Landschaft, die den psychischen Zustand körperlicher Konfrontation an der Extremgrenze abzeichnet. Doch wie lässt sich Yin und Yang in einem nicht-chinesischen Kontext übersetzen? Wie kann Musik den psychischen Zustand eines Körpers abbilden? Es sind Erfahrungen, die sich nicht vollständig in Musik übertragen lassen – und gerade deshalb nähert sich die Musik ihnen unaufhörlich an.
Florian Magnus Maier versucht mit »Soleá«, das rhythmische Vokabular des Flamenco von der Gitarre auf das Marimbaphon zu übertragen. Diese kultur- und instrumentenübergreifende »Übersetzung« ist zwangsläufig ein unvollständiger Prozess: Sie verliert die Gitarrenklangfarbe, eröffnet aber gleichzeitig eine neue Sprache für das Schlagwerk.
Steven Snowdens »Long Distance« durchzieht das Konzert in drei Abschnitten – wie eine Telefonleitung, die die einzelnen Stücke miteinander verknüpft. Das Material stammt aus Tonaufnahmen von Telefon-Hacking-Aktivitäten in den 1970er Jahren in den USA. Indem die Hacker Münztelefone manipulierten, kleine Geräte entwarfen oder auch wiederholt Töne in spezifischen Frequenzen pfiffen, konnten sie über weite Distanzen kommunizieren und das Knistern, Klicken und Summen der Maschinerie entfernter Netzwerke abhören. Es ist analoges Rauschen aus Zeiten der Fernkommunikation – voller Enthusiasmus, Risiko und dem Wunsch, das Unbekannte zu übersetzen und zu verstehen.
In Alberto Bernals »Impossible Translation #3« wird Bild in Klang übersetzt: Alltagsszenen aus Entwicklungsländern, Proteste, Börsengeschehen – all das wird auf das Vokabular des Schlagwerks übertragen. Die verwendeten Videoclips sind jeweils mit einem bestimmten Klang verbunden, was eine erzwungene und doch immer fehlgehende Verbindung schafft. Aber das ist keine echte Übersetzung. Der Klang wird der sozialen Komplexität des Bilds nicht gerecht. Bild und Ton bleiben unvereinbar – wie zwei Sprechende, die einander nicht verstehen können.
Nicht jedes Geräusch ist hörbar, nicht jede Bedeutung ist übertragbar – doch ich wage den Versuch.
Text von Jieru Ma (特别感谢) und Leon Neudert (对翻译工作的支持)

